Der Ort

Der Komplex „Campo Santo Teutonico“ – ein besonderer Ort:

Der Campo Santo Teutonico in Rom ist ein herausragender deutscher Erinnerungsort und eine Kulturstätte, die nicht verloren gehen darf. Der Gebäude- und Friedhofskomplex liegt neben der bedeutendsten und größten Kirche der Welt, dem Petersdom, und wird jährlich von Tausenden von Pilgern und Touristen besucht.

Er ist Sitz der Erzbruderschaft, die das Gebäude seit über 140 Jahren dem deutschsprachigen Studienkolleg zur Verfügung stellt und des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft.

In der historischen Erinnerung wird der Campo Santo Teutonico in Verbindung gebracht mit der Landsmannschaft aus dem Frankenreich (schola francorum), die Pippin III. oder sein Sohn Karl der Große im 8. Jahrhundert auf der Südseite des alten Petersdoms angesiedelt hat. Auch wenn die territorialen Grenzen dieser Ansiedlung nicht genau bekannt sind, so ist anzunehmen, dass der heutige „deutsche Friedhof“ (Campo Santo Teutonico) damit in Zusammenhang steht. Der Friedhof gehörte später dem Domkapitel von Sankt Peter, das ihn wiederum in der Mitte des 15. Jahrhunderts der eigens gegründeten „Bruderschaft zur Schmerzhaften Mutter Gottes der Deutschen und Flamen“ anvertraute, weil dieser Friedhof bereits auf eine lange „teutsche/teutonische“ Tradition zurückblicken konnte.

Die Bruderschaft (seit 1579 Erzbruderschaft), die den Friedhof pflegen und die Gottesdienste in der Friedhofskirche garantieren sollte, wurde im Heiligen Jahr 1450 gegründet. Schon in einer Urkunde von 1454 ist vom „Campo Santo der teutonischen Nation“ die Rede, auf dem die Bruderschaft ein „Hospital“ (d.h. eine Herberge) und eine Marienkapelle betreute. Die Bruderschaft baute sogleich die heutige Kirche und alle weiteren auf dem Friedhofsgelände befindlichen Gebäude. Sie legte ein Archiv über alle Aktivitäten der Bruderschaft und über die Bestattungen an. Es ist vollständig erhalten und bildet einen herausragenden Wissensspeicher deutscher Kultur in Rom.

Nation und Europa

Der Campo Santo Teutonico gilt als „Nationalstiftung“ im Sinne einer Gründung der deutschen Nation – seitens der Bruderschaft – und zwar nicht im nationalstaatlichen Sinn, sondern in Bezug auf das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“. Die Gründung ist Ausdruck der beachtlichen Internationalität der Bevölkerung Roms im 15./16. Jahrhundert, wo auch andere Nationen durch ähnliche Stiftungen vertreten waren. In diesem Kontext ist der Campo Santo Teutonico Teil der europäischen Identität.

Ausdruck des nationalen deutschen Interesses am Campo Santo Teutonico war es, dass zu den kirchlichen Festen die Botschafter des Heiligen Römischen Reichs und die kaiserlichen Agenten kamen. Umgekehrt wurden dort auch die Feste der deutschen Kaiserfamilie begangen. Der kaiserliche Doppeladler schmückt noch heute das Haus und ist Teil des Bruderschaftswappens. Zum 1.100. „Jubiläum“ 1896/97 stifteten Kaiser Wilhelm II. und seine Frau die Orgel und ein Kirchenfenster, Kaiser Franz Joseph von Östereich das Prozessionskreuz, der Bayerische Prinzregent mehrere Kirchenfenster. Im selben Jahr wurde das große Majolikabild Karls des Großen an der Außenwand angebracht. In der Nachfolge der Kaiser des Hl. Römischen Reiches Deutscher Nation fungierte der österreichische Kaiser 1806 bis 1918 als Protektor. In Folge trat an diese Stelle das Deutsche Reich und schließlich die Bundesrepublik Deutschland. Deutsche Bundeskanzler und Bundespräsidenten besuchen seither den Campo Santo Teutonico: Konrad Adenauer (1956, 1960), Theodor Heuss (1957) – er stiftete die Bronzetür der Kirche (1959) –, Ludwig Ehrhard (1964), Willy Brandt (1970), Gustav Heinemann (1973) – er stiftete drei Kirchenfenster (1976) –, Helmut Schmidt (1979), Karl Carstens (1982), Helmut Kohl (wiederholt), Joachim Gauck (2012), Angela Merkel (2017 und 2021), Christian Wulf (2021) Frank Walter Steinmeier (2021). Auf dieser Linie erklärt es sich, dass dem  Verwaltungsrat der Erzbruderschaft, der das Eigentumverwaltet  sowohl die Botschafter der Bundesrepublik Deutschland als auch der Republik Österreich beim Hl. Stuhl angehören.

Seit den Lateranverträgen von 1929 liegt der Campo Santo Teutonico auf exterritorialem Gelände des Vatikanstaats. Faktisch liegt er nun „im Vatikan“. Damit ist der Campo Santo Teutonico auch die sensible Präsens der Deutschen im Vatikan. Es gibt keine vergleichbare Einrichtung anderer Sprachgruppen, und dies in unmittelbarer Nachbarschaft der päpstlichen Residenz Santa Marta. 2010 erhob Papst Benedikt XVI. das Studienkolleg zum Päpstlichen Kolleg.

Eine Gemeinschaft von Laien

Bereits Papst Leo X. Medici bestätigte mit der Bulle vom 22. Oktober 1513 das Nutzungs- und Eigentumsrecht der Bruderschaft über die Kirche und die angrenzenden Gebäude; Anrechte und Ansprüche anderer werden ausgeschlossen. Diese Bulle wurde 1564 durch Pius IV. nochmals bestätigt. Auch alle folgenden Päpste haben den Campo Santo Teutonico in seinem Bestand geschützt, bis hin zu Pius VI., der 1779 im Rokoko-Stil die Friedhofsmauer und das sog. Hospiz (Hauptfassade) errichten ließ.

Die Erzbruderschaft garantiert die Erhaltung und statutengemäße Nutzung des Komplexes. Generationsübergreifend nimmt sie von Anfang an Männer und Frauen, Laien und Kleriker deutscher Kultur und Sprache auf. Sie ist Rechtsperson und trägt auf der Grundlage von Wahlämtern und Ehrenamt Verantwortung über ihr Eigentum, und zwar mit Erfolg: Sie überstand den Sacco di Roma (1527), die napoleonische Römische Republik (1798-1799), das Risorgimento (1870), den Ersten Weltkrieg (1915 mussten alle Deutschen Italien verlassen) und den Zweiten Weltkrieg (1943/44 deutsche Besetzung Roms). Aufgrund ihres exterritorialen Status konnten während dieser Zeit sowohl zahlreiche Gegner des Nationalsozialismus und Faschismus als auch Juden den Campo Santo als sicheren Zufluchtsort nutzen.

Weit mehr als ein Ort der Ruhe: der deutsche Friedhof

Historischer Mittelpunkt und genius loci ist der über 1000-jährige Friedhof an einmaliger Stelle neben Sankt Peter mit seinem zentralen Kreuz. Er ist ein öffentlicher Ort der Pietät, Spiritualität und des Innehaltens. Seit frühchristlicher Zeit gilt es als Privileg, beim Grab des Apostels Petrus bestattet zu sein. Das macht den Friedhof zu einem christlichen Gnaden- und Pilgerort. Die Erzbruderschaft sorgte und sorgt für die Bestattung von Pilgern und Erzbruderschaftsmitgliedern. Hunderte von historischen Grabdenkmälern, die in den letzten Jahren restauriert wurden, zeugen von Handwerkern, Künstlern und Prälaten.

Der Campo Santo Teutonico ist ein Ort der Gastfreundschaft. Die Erzbruderschaft unterhielt über Jahrhunderte hinweg bei der Kirche ein Männer- und ein Frauenhospiz für mittellose Pilger. Seit der Entwicklung des modernen Hotelwesens ist dies obsolet, so dass die Bruderschaft das Hospizgebäude seit 1876 dem Studienkolleg für Priester und Studenten aus dem historischen Einzugsbereich des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation mietfrei zur Verfügung stellt. Diese Personen kommen nach Rom, um zu studieren und sich zu qualifizieren. Seit 1888 wird das Studienkolleg ergänzt durch das Römische Institut der Görres-Gesellschaft für historisch-archäologische Forschungen in der an Archiven und Bibliotheken reichen Stadt Rom.

Durch das Studienkolleg mit seither Hunderten von Absolventen ist der Campo Santo Teutonico nicht nur ein Ort der Wissenschaft, sondern auch europaweit bekannt geworden. Denn die Absolventen bringen nach ihrem mehrjährigen Aufenthalt im Kolleg die Romanità in ihre Heimat zurück und werden hoch motiviert zu wichtigen Multiplikatoren. Der Campo Santo Teutonico ist besonders durch das Studienkolleg europäisch orientiert, da Studierende auch aus den Niederlanden, aus Belgien, aus Österreich, der Schweiz, , Italien,, und anderen Ländern Aufnahme finden.

Der Campo Santo Teutonico ist ferner ein Ort der Solidarität im Leben und Sterben deutscher Landsleute und Pilger in Rom. Eine vorrangige Aufgabe ist die Sorge um Bedürftige in den eigenen Reihen und darüber hinaus. Historisch interessant ist, dass jahrhundertelang besonders Frauen in Form einer Aussteuer gefördert wurden.

Einen dramatischen Ausdruck fand die Solidarität während der deutschen Besetzung Roms 1943/44. Der Campo Santo Teutonico wurde zum Ort der Zuflucht: Der Rektor nahm ca. 50 gefährdete Personen im Haus selbst auf und ermöglichte es darüber hinaus, dass der irische Monsignore Hugh O’Flaherty vom Kolleg aus über 6.000 Personen, darunter zahlreiche Juden, vor den Nazis in Rom versteckte.

Damit dieser besondere Ort auch weiterhin erhalten bleibt, bitten wir um Ihre wertvolle Unterstützung.